Das Filmprogramm Fiktionsbescheinigung, das zwischen 2021 und 2023 im Rahmen von Berlinale Forum stattfand und von Enoka Ayemba, Karina Griffith, Jacqueline Nsiah, Biene Pilavci und Can Sungu kuratiert wurde, kehrt mit einer besonderen Filmauswahl und mit Einführungen der Kurator:innen ins Sinema Transtopia zurück.
Fiktionsbescheinigung: Das ist ein Begriff aus dem Amtsdeutsch. Wenn Menschen aus Nicht-EU-Ländern einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stellen, dann erhalten sie für die Zeit, in der der Antrag geprüft wird, eine solche Bescheinigung. Die Fiktionsbescheinigung ist also ein bürokratisches Instrument der deutschen Behörden, um diejenigen zu überwachen, die sich im Land aufhalten, aber nicht vollkommen als Bürger:innen anerkannt sind. So können sie ihr vorläufiges Recht, sich in Deutschland aufzuhalten, belegen. Für sie ist es trotzdem eine Phase der Unsicherheit: Wird der Antrag abgelehnt? Wird er akzeptiert?
Vor diesem Hintergrund erlaubt sich die Filmreihe Fiktionsbescheinigung nachzufragen: Wer findet Einlass in die deutsche Kulturgeschichte, ins Kino und den Filmkanon, und wer bleibt draußen? Wer bestimmt, was gespielt wird? Die Reihe versteht sich als Momentaufnahme in einem selbstbestimmten und fortlaufenden Prozess der Einmischung und des Widerspruchs. Jeder Film ist ein Vorschlag, den weißen deutschen Blick mit vielfältigen, intersektionalen Perspektiven zu parieren, und allen gemein ist eine eigene visuelle und textuelle Praxis der Zeugenschaft von innen, nicht vom Rand. Dabei ermuntert Fiktionsbescheinigung die Zuschauer:innen, sich zu fragen, warum die meisten Filme im Programm bisher einem breiteren Publikum nicht zugänglich waren.
In Kollaboration mit Berlinale Forum und Arsenal - Institut für Film und Videokunst
Can Sungu ist freier Künstler, Kurator und Forscher. Er studierte Film, interdisziplinäre Kunst und visuelle Kommunikationsdesign in Istanbul und Berlin. Er unterrichtete Film- und Videoproduktion, kuratierte verschiedene Filmprogramme bzw. Veranstaltungsreihen zu Film und Migration und nahm an zahlreichen Ausstellungen teil. Als Juror und Berater war er u.a. für Berlinale Forum, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen und Berliner Künstlerprogramm des DAAD tätig. Er ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter von bi‘bak und Sinema Transtopia in Berlin.
Biene Pilavci begann 2005 ihr Regiestudium an der DFFB und realisierte hier zahlreiche Kurzfilme. Mit ihrem Drittjahresfilm Alleine tanzen über die Kraft der Familie schloss Pilavci ihr Studium 2012 ab. 2013 entstand mit dem ZDF und ARTE und gemeinsam mit Ayla Gottschlich Chronik einer Revolte – Ein Jahr Istanbul. Pilavci ist Mitgründerin der filmpolitischen Initiative NichtmeinTatort und des Filmnetzwerks Neue Deutsche Filmemacher*innen.
Enoka Ayemba ist Filmkurator und Filmkritiker mit Fokus auf afrikanische und Afro-diasporische Kinematografien und antikoloniale Bewegungen. Seit 2019 ist er als Berater für das Berlinale Forum tätig.
Jacqueline Nsiah ist freiberufliche Filmfestival-, Kunst- und Kulturberaterin. Akzente setzte sie u.a. als Ko-Direktorin für das Cambridge African Film Festival 2008 sowie als Produzentin des Real Life Documentary Film Festivals in Accra. Gegenwärtig ist Nsiah als Kuratorin für das Berlinale Forumtätig und betreut als Projektreferentin die afrikanische Filmplattform des Goethe-Instituts cinidb.africa.
Karina Griffiths Arbeiten wurden international in Galerien, Theatern und auf Festivals gezeigt. Sie kuratierte Film- und interdisziplinäre Programme u.a. für das Goethe-Institut und am Ballhaus Naunynstraße. Sie lehrt am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin und ist Doktorandin an der University of Toronto, wo sie Forschung zu Schwarzer Autor*innenschaft im deutschen Kino mit Theorien zu Affekt und Intersektionalität verknüpft.