Wir sind unsere Erinnerung

Der Völkermord an armenischen Menschen im Osmanischen Reich ist eine historische Tatsache, die jedoch bis heute nicht allgemein anerkannt wird. Die inzwischen weltweit verstreut lebenden Menschen armenischer Identität eint dagegen als gleichsam tragisch-identitätsstiftendes Moment die gemeinsame traumatische Erfahrung des Genozids. Die Literaturwissenschaftlerin Marianne Hirsch prägte (im Hinblick auf die Nachwirkung der Shoah) dafür den Begriff der “post-memory”: Erfahrungen der Vorgenerationen werden so tiefgehend auf die nachfolgenden, jungen Generationen übertragen, dass sie gleichsam als eigene Erinnerungen wahrgenommen werden.

Das transnationale armenische Kino hat sich mit dem Aghet (die armenische Bezeichung für den Genozid, armen. “Katastrophe”) vor allem ab der Mitte der 1960er Jahre immer wieder beschäftigt. Es entstanden herausragende Werke, allen voran Nahapet (1977), eine universell angelegte filmische Totenklage, Komitas (1988) oder Հանդիպմ ցցահանդեսմ (Meeting in the Exhibition) (1966). Beginnend mit dem Zerfall der UdSSR bedeutete der Konflikt um die Region Bergkarabach bzw. die Republik Arzach eine neue Traumatisierung der armenischen Identität. Seit September 2023 ist armenisches Leben dort vorerst Geschichte. Diese Filmreihe setzt die Erinnerungsarbeit um den historischen Genozid in Bezug zur aktuellen Tragödie in Arzach und untersucht, wie das transnationale armenische Kino diese traumatischen Erfahrungen verhandelt hat und künftig verhandeln könnte.

Gary Vanisian, 1987 in der russischen SSR geboren, ist Autor, Filmemacher, Filmkurator und Projektkoordinator beim Sinema Transtopia. Er studierte Jura und Kunstgeschichte in Frankfurt am Main und Paris. 2013 war er Mitbegründer des gemeinnützigen Vereins Filmkollektiv Frankfurt in Frankfurt am Main, für den er seither zahlreiche Filmreihen kuratiert hat.

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