Dass Deutschland mit dem Fall der Mauer nicht zu einer offeneren und freien Gesellschaft wurde, bekamen insbesondere die geschätzten 150.000 Arbeitsmigrant*innen und Studierenden zu spüren, die zu diesem Zeitpunkt auf der Basis von Staatsverträgen mit sozialistischen „Bruderländern“ in der DDR lebten. Seit Anfang der 1950er Jahre hatten Vertragsarbeiter*innen und ausländische Studierende zum internationalistischen Image der DDR und zum gesellschaftlichen Wohlstand beigetragen. Auch wenn die DDR nicht das Paradies war, als das sie sich darstellte, so gelang es doch vielen Vietnames*innen, Mosambikaner*innen, Chilen*innen, Algerier*innen, Koreaner*innen und Menschen anderer Herkunft, in der DDR Fuß zu fassen oder sich zumindest temporär zu arrangieren. Die verbale und physische Gewalt, die ihre Entrechtung in der Nachwendezeit flankierte, warf ein Schlaglicht auf ihre Anwesenheit, die jedoch unter dem Stichwort „Ausländerproblematik“ sogleich stigmatisiert wurde. In der späteren Einordnung wurde meist übersehen, dass rassistische Gewalt und Ausgrenzung nicht erst 1989 begannen, sondern schon in der DDR zur Alltagserfahrung vieler Menschen gehörten. Ebenso wird jedoch unterschlagen, dass die „solidarische“ und „internationalistische“ Außenpolitik der DDR, auch wenn sie opportunistische Motive hatte, von vielen Menschen beim Wort genommen wurde und ihnen auch reale Chancen bot – Inländer*innen wie Ausländer*innen.
Das Programm versucht zum einen, aus den Archiven von DEFA und DDR-Fernsehen die öffentliche Wahrnehmung von Migrant*innen zu rekonstruieren und dabei jenseits ideologisch normierter Muster auch Spuren der Wirklichkeit zu entdecken. Zum anderen gibt es Raum und Zeit für aktuelle künstlerische und aktivistische Positionen, die das Thema aus der heutigen Perspektive der zweiten Generation beleuchten.
Gefördert durch die Berliner Landeszentrale für politische Bildung.
Tobias Hering arbeitet als unabhängiger Filmkurator. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Filmprogramme zu bildpolitischen Fragestellungen und der Rolle von Archiven. Er hat Griseys und Tourés langjährige Recherchen als Kurator, Moderator und Freund begleitet, und zu ihrem gemeinsamen Buch Sowing Somankidi Coura, A Generative Archive (Archive Books, 2017), beigetragen. WEBSITE
Sun-Ju Choi studierte Film und Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) und promovierte zum Thema Familienkonzepte und -repräsentation im nordkoreanischen Film. Sie ist Vorstandsmitglied bei korientation e.V. – Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven und neue deutsche organisationen – das postmigrantische netzwerk e.V.