ARD, ein Sonntagabend Mitte der 1970er Jahre, gegen 19 Uhr: „Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur heutigen Ausgabe des Weltspiegel.“ Der Name der Moderatorin: Navina Sundaram. Eine Inderin im deutschen Fernsehen? Als politische Redakteurin und Auslandskorrespondentin womöglich? Unvorstellbar! Wie lesen sich 50 Jahre bundesdeutsche Zeitgeschichte durch die Augen einer Frau, die sich in einer von Männern und deutscher Mehrheitsgesellschaft dominierten Öffentlichkeit ihre Sichtbarkeit im doppelten Sinne erkämpfen musste? Die sich bis heute standhaft verweigert, sich für eine einzige Heimat, eine einzige Identität zu entscheiden? Und die dennoch für sich das Recht beansprucht hat: “gekommen, um zu bleiben”? Aufgewachsen in New Delhi, seit 1970 als Filmemacherin, Reisekorrespondentin und Moderatorin tätig. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, schreibt, mischt sich ein. Die fünfte Wand stellt die innenpolitischen Fernsehbeiträge Navina Sundarams aus den Jahren 1973 bis 1983 erstmals dem Berliner Publikum vor. Sundarams Blickpunkt einzunehmen, ihre Reportagen, Beiträge und Moderationen ins Zentrum zu stellen, heißt gleichzeitig von Innen und Außen auf bundesdeutsche Fernsehgeschichte zu schauen. Dabei steht sie im Zentrum als eine Autorin, die journalistisch Position bezieht: zu Internationalismus und Dekolonisierung, Klassenfrage, Rassismus, Einwanderung, zu indischer und bundesdeutscher Politik. Ergänzt werden die Filme durch Dokumente, Kommentare und weitere Fundstücke aus dem Archiv. Natürlich immer Sonntag abends, um 19 Uhr.
Gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa und in Kooperation mit dem Projekt Archive außer sich des Arsenal – Institut für Film und Videokunst und der Bundeszentrale für politische Bildung
Navina Sundaram wächst auf in Neu-Delhi, Indien, wo sie Englische Literatur studiert, bevor sie 1964 für eine zweijährige Ausbildung zum NDR nach Hamburg kommt. Ab 1970 arbeitet sie als politische Redakteurin für die Sendeanstalt. Sie ist als Filmemacherin, Reporterin und Moderatorin u.a. für die Sendungen Weltspiegel, Gesichter Asiens, Panorama und Extra Drei tätig. Von 1992-93 ist sie ARD-Korrespondentin und Leiterin des Fernsehstudios Südasien in Neu-Delhi. Nach Ende ihrer Tätigkeit für den NDR setzt Navina Sundaram ihre Arbeit als unabhängige Regisseurin von Dokumentarfilmen fort. Sie ist weiterhin Autorin zahlreicher Texte und Vorträge.
Merle Kröger arbeitet als Autorin, Dramaturgin und Kuratorin in Berlin und ist seit 2001 Teil von pong Film. Auch ist sie als Hochschuldozentin in Halle sowie Mainz tätig. Bisher hat sie fünf Romane veröffentlicht, darunter Grenzfall (2012), Havarie (2015) und Die Experten (2021). Als Kuratorin arbeitet sie seit 2007 mit dem Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V., u.a. an den Projekten Work in Progress,Living Archive und Die fünfte Wand. Navina Sundaram: Innenansichten einer Außenseiterin oder Außenansichten einer Innenseiterin, das eine Nominierung für den Grimme Online Award 2022 erhielt. www.merlekroeger.de
Mareike Bernien lebt in Berlin und arbeitet als Künstlerin zwischen performativem Film, Sound und Text. Mit einem medienarchäologischen Ansatz hinterfragen ihre Arbeiten ideologische Gewissheiten von Repräsentation, ihre materiell-technologischen Voraussetzungen und historischen Kontinuitäten.