Als Vladimir Tomic noch ein Kind war, stand er vor dem „Flotel Europa“ – und war begeistert, dass dieses riesige Schiff im Hafen von Kopenhagen fortan für ihn, seinen älteren Bruder und seine Mutter das neue Zuhause sein würde. Zusammen mit etwa eintausend anderen Geflüchteten aus Ex-Jugoslawien begann für sie auf dem Schiff ein neuer Lebensabschnitt. Dem Vater schickte die Familie, wie es Anfang der 1990er Jahre viele machten, „Videobriefe“ in die alte Heimat. Bilder aus der Gemeinschaftsküche, von der fensterlosen Kabine, dem Fernsehsaal, von den Ausflügen mit den coolen Kumpels und einer Tanzdarbietung der unnahbaren Melisa. Durch die Montage des Materials, vor allem aber durch seine Erinnerungen an jene Zeit gelingt es Vladimir Tomic, aus Privatdokumenten, die auch für die Bebilderung von Fluchtelend und einer gestohlenen Kindheit herhalten könnten, etwas Neues, Eigenes, Anderes zu machen. Die Perspektivverschiebung von innen nach außen macht Flotel Europa zu einem autobiografischen Film über ein Schicksal, das einen sonderbar berührt, weil es den Geflüchteten aus der Opferrolle befreit – und einen schüchternen Jungen in einen sympathischen Filmstar verwandelt.