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24. Mai 2024 – 24. Mai 2024

illegal_cinema

How utopian is peace today?
Kuratiert von Marta Popivoda

20:00 Marta Popivoda über illegal_cinema und Einführung von Gal Kirn

20:15 - 21:15 Filme

Newsreel 242 - Sunny Railways
Nika Autor, Slowenien, 2023, 31 Min., Farbe, DCP, Bosnisch mit englischen Untertiteln

Red rubber boots
Jasmila Žbanić, Bosnien und Herzegowina, 2000, 18 Min., Bosnisch mit English Untertiteln, 16mm.

Ausschnitte aus Elia Suleimans Film Chronicle of a Disappearance (1996)

Im Anschluss findet die Diskussion How utopian is peace today? geleitet von Gal Kirn und Marta Popivoda im Dialog mit dem Publikum statt.

Ich habe diese Dokumentarfilme ausgewählt, da sie wertvolle Denkanstöße für eine Auseinandersetzung mit den Gräueltaten im Jugoslawien der jüngeren Vergangenheit und aktuell in Gaza liefern. Diese Filme sind ein guter Ausgangspunkt, um über eine Friedenspolitik nachzudenken, die über rhetorische Gesten und, schlimmer noch, durch hegemoniale Mächte mobilisierte Mechanismen der Pazifizierung auf dem Friedhof der Menschheit hinausgeht. War der Frieden jemals eine reale Möglichkeit, eine Utopie, die in Zeiten verschärfter und vielfältiger Krisen verwirklicht werden kann? Die Dokumentarfilme zeigen genau, was in der multiethnischen jugoslawischen Gesellschaft geschah, als die Ideen des Internationalismus, der Solidarität und der sozialistischen Utopie aufgegeben und durch extremen Nationalismus ersetzt wurden. Mit Blick auf die gegenwärtige Situation und die erzwungene Normalisierung des Krieges frage ich mich, ob Frieden nicht zum Namen und Ort einer neuen Utopie wird.

Ausgehend von dem Bau der 242 km langen Eisenbahnstrecke zwischen Sarajevo und Šamac, untersucht Nika Autors Film Newsreel 242 die Zeit um 1947 in Jugoslawien nach der faschistischen Besetzung. Er ist eine Hommage an die Ideen von Utopie und dauerhaftem Frieden, die im internationalistischen Geist und jugendlichen Enthusiasmus Ausdruck fanden. Der Dokumentarfilm zieht Verbindungslinien zwischen der Geschichte der Eisenbahn und einer Welt jenseits des Kapitalismus sowie zwischen den Werten vergangener Zeiten und Migration und Unruhen heute.

Als Jasnas zwei Kinder während des Bosnienkriegs von serbischen Soldaten verschleppt wurden, war ihr Sohn Amar vier Jahre und ihre Tochter Ajla gerade einmal neun Monate alt. Jahre nach diesem grausamen Ereignis begleitet Jasmila Žbanić Jasna bei dem Versuch, die sterblichen Überreste ihrer Kinder in den nach dem Krieg geöffneten Massengräbern zu finden. Ihre Körper müssten inzwischen verwest sein, sagt sie in einem fast unerträglichen Moment, aber Amar trug rote Gummistiefel, die die Jahre vielleicht überdauert haben.

Kurze Ausschnitte aus Suleimans erstem Spielfilm bieten einen Rückblick auf einen gescheiterten Friedensprozess, der in Zeiten des Krieges in Palästina und Israel seine extremsten Formen annimmt. (Gal Kirn)

Gal Kirn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Ljubljana, wo er sich mit dem Transformationsprozess im (post)sozialistischen Kontext beschäftigt, insbesondere in den Bereichen Kunst, Politik und Erinnerung. Er veröffentlichte zwei Monografien: Partisan Ruptures (Pluto Press, 2019) und Partisan Counter-Archive (De Gruyter, 2020).

Marta Popivoda ist Filmemacherin, Künstlerin und Forscherin. Hauptthemen ihrer Arbeit sind die Spannungen zwischen Erinnerung, Geschichte und Ideologie sowie die Beziehungen zwischen kollektiven und individuellen Körpern – aus einer feministischen und queeren Perspektive. Sie drehte zwei Langfilme Yugoslavia, How Ideology Moved our Collective Body (Berlinale, 2013) und Landscapes of Resistance (IFFR, 2021).

illegal_cinema wurde 2007 in Belgrad von der Filmemacherin und Künstlerin Marta Popivoda als Teil des Kollektivs TkH (Walking Theory) initiiert und fand bereits in Zagreb, Istanbul, Paris und Bilbao statt. Das Projekt verfolgt stets einen kontextbezogenen Ansatz und analysiert, was in einem bestimmten Moment in Bezug auf kulturelle Produktion, Verbreitung und öffentliche Debatte "illegal" ist.


illegal_cinema Berlin will durch Vorführungen und Diskussionen einen öffentlichen Raum für verschiedene Formen des Dissenses, des Widerspruchs und des Gedenkens öffnen. Es ist zugleich ein Versuch, Grenzen zwischen "Programmmacher*innen" und "Öffentlichkeit" durchlässig zu machen und kontinuierlich zu einer langfristigen Praxis der Wissensproduktion beizutragen. illegal_cinema Berlin wurde von Marta Popivoda als Fellow des  Berliner Programm Künstlerische Forschung initiiert. Es wird in enger Absprache mit den Teammitgliedern des Programms, Rike Frank und Johanna Ekenhorst, organisiert.

Das Berliner Programm Künstlerische Forschung fördert durch die Vergabe von Stipendien disziplinübergreifend künstlerische Forschung sowie den Austausch zwischen forschenden Künstler*innen in Berlin.

Marta Popivoda ist Filmemacherin, Künstlerin und Forscherin. Hauptthemen ihrer Arbeit sind die Spannungen zwischen Erinnerung, Geschichte und Ideologie sowie die Beziehungen zwischen kollektiven und individuellen Körpern – aus einer feministischen und queeren Perspektive. Ihre Arbeiten wurden bereits auf der Berlinale, dem IFFR, dem MoMA New York, der Tate Modern London, dem MAXXI Rom, der Manifesta und der Berlin Biennale gezeigt.